Für Steuerpflichtige ohne juristische Vorbildung ist es kaum möglich, die Vielzahl verfahrensrechtlicher Vorschriften im Steuerprozess vollständig zu überblicken. Wie entscheidend eine anwaltliche Vertretung vor dem Finanzgericht sein kann, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Juli 2025 (II R 25/24): Der BFH wies die Revision des Steuerpflichtigen als unbegründet zurück, da er das Klagebegehren nicht innerhalb der vom Finanzgericht gesetzten (Ausschluss)Frist bezeichnet habe.
Hintergrund
Die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Regelungen im Steuerrecht finden sich in der Abgabenordnung (AO) und der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die AO umfasst über 400 Paragrafen in neun Teilen, die FGO über 180 Paragrafen in vier Teilen. Angesichts dieser Komplexität überrascht es nicht, dass es Steuerpflichtigen schwerfallen kann, den Überblick zu behalten. Gleichwohl bilden AO und FGO den verfahrensrechtlichen Rahmen für außergerichtliche und finanzgerichtliche Verfahren – eine fundierte Kenntnis ihrer Vorschriften ist daher unerlässlich für eine ordnungsgemäße und erfolgversprechende Prozessführung.
Dem Urteil des BFH lag folgender Fall zugrunde: Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten, reichten für 2020 keine Steuererklärungen ein. Das Finanzamt schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO und erließ entsprechende Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Die am 13. November 2023 erhobene Klage wurde zunächst nicht begründet; die Kläger verwiesen lediglich auf die „kurzfristig“ nachzureichenden Steuererklärungen. Mit Verfügung vom 2. Januar 2024 setzte das Finanzgericht eine Ausschlussfrist bis zum 29. Februar 2024 zur Bezeichnung des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO) sowie zur Klagebegründung (§ 79b Abs. 1 FGO).
Zwar übermittelten die Prozessbevollmächtigten die Steuererklärungen am letzten Tag der Frist – jedoch ausschließlich an das Finanzamt. Mit Schriftsatz vom 22. März 2024 informierten die Kläger das Finanzgericht über die Einreichung. Die Übersendung der Steuerakten durch das Finanzamt an das Gericht erfolgte auf gerichtliche Anforderung vom 8. Mai 2024.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab: Das Klagebegehren sei nicht innerhalb der gesetzten Frist gegenüber dem Gericht bezeichnet worden. Die bloße Übermittlung an das Finanzamt genüge hierfür nicht. Auch die spätere Übersendung der Steuerakten an das Gericht ändere daran nichts, denn der Umfang der Steuerakten orientiere sich maßgeblich an dem Beginn der Ausschlussfrist.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss eine Klage u. a. den Kläger, den Beklagten, das Klagebegehren sowie – bei Anfechtungsklagen – den angefochtenen Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO kann dem Kläger hierfür eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden.
Das Klagebegehren ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn der Kläger substantiiert darlegt, warum der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt. Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Jedenfalls muss das Gericht erkennen können, worin die behauptete Rechtsverletzung liegt.
Bei einer Klage gegen Schätzungsbescheide verlangt dies in der Regel eine substantiierte Darlegung, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch angesetzt wurden. Die bloße Benennung der angefochtenen Bescheide genügt ebenso wenig wie die Übermittlung der Steuererklärungen an das Finanzamt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Kläger aufgrund der zeitlichen Abläufe berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass das Finanzamt die Steuererklärungen noch vor Ablauf der Ausschlussfrist dem Gericht im Rahmen der Aktenweiterleitung übermittelt.
Wichtige Aspekte der Entscheidung
- Dispositionsmaxime: Verfahren und Streitumfang liegen in der Hand des Klägers – eine rechtzeitige Konkretisierung ist unerlässlich.
- Fristen wahren: Wer sie versäumt, riskiert Prozessverlust und die Bestandskraft der Bescheide.
Fazit
Eine unzulässige Klage ist ärgerlich und kann in der Regel verhindert werden. Eine anwaltliche Vertretung ist in vielen Fällen unerlässlich. Denn ein fundiertes Wissen über das Verfahrensrecht bildet den Grundstein eines erfolgreichen Prozesses.